Wut - mit Regenschirm und Selbstfürsorge achtsam begleiten

Selbstfürsorge

Kürzlich sprach ich in einem Instagram-Live mit Kathrin Hohmann über Wut. "Gemeinsam durch die Wut“ heißt ihr Buch. Es ist eine liebevolle Einladung sich der Wut, der eigenen und der unserer Kinder, zu nähern, sie zu anzunehmen und zu hinterfragen, mit ihr Frieden zu schließen und einen achtsamen Umgang mit diesem Gefühl zu entwickeln.

Ich finde dieses Buch so unglaublich wertvoll. Es platzt vor Wissen fast aus allen Nähten und ist dabei auch so schön gestaltet. Ich bin ein großer Fan von Dingen, die sich schön anfassen. Kennst du das, wenn man eine schöne Holzschüssel sieht oder eine Keramiktasse oder einen tollen Stoff, den man streicheln muss? So geht es mir oft in Möbelgeschäften oder im Tragetuch-Universum. Schöne Farben, schöne Materialien, die muss ich berühren. Dieses Wut-Buch ist auch so etwas. Es fässt sich so schön an und ich nehme es so gerne zur Hand. Ich finde das total hilfreich, insbesondere bei solchen unliebsamen Themen wie der Wut.

Welche Farbe hat Wut für dich?

Als ich dieses Buch zusammen mit Kathrin Hohmann und dem Verlag edition claus bei Instagram verlost habe, haben wir die Teilnehmer:innen gefragt, welche Farbe Wut für sie hat. Die Antworten waren ganz unterschiedlich. Vielleicht magst du auch einen Moment innehalten und in dich hineinspüren, welche Farbe dieses intensive Gefühl für dich hat. Unter den Teilnehmer:innen wurde deutlich, dass jeder seine eigene Farbe hat und doch war sie häufig eher dunkel und sehr kraftvoll. Rot zum Beispiel. Oder ein dunkles Lila.

Bei mir selbst hat sie sich in der letzten Zeit sehr gewandelt. Von Rot oder Schwarz, in jedem Fall etwas Dunklem, hin zu einem bunten Regenbogen. Man kann den Spieß sicher auch umdrehen und durch die Imagination, einer „positiven“ Farbe den Zugang zur Wut angenehmer zu machen. Bei mir ist es ganz automatisch geschehen. Die Auseinandersetzung mit meiner eigenen Wut und der meiner Kinder hat mir die vielen Facetten von Wut gezeigt. Kathrin Hohmann beschreibt „Wut“ als „immense Kraft, die eigenen Grenzen zu spüren und aufzuzeigen. Wut hilft dabei, „Nein“ zu sagen, Veränderungen in Gang zu setzen und mit Ehrgeiz ein Ziel zu verfolgen“. Ist das nicht wundervoll? Warum habe ich Wut noch nie vorher aus dieser Perspektive betrachtet? Weil dieses Gefühl tabuisiert wurde und wird. Wut ist unangenehm. Sie ist laut, stark, bringt uns ins Wanken. Die Wut unserer Kinder überfordert uns oft. Hast du schon einmal unter deinen Eisberg geschaut? Weißt du, welche Gefühle und Bedürfnisse unter ihm schlummern? Welche eingebrannten Muster beeinflussen, wie du dich bei Wut fühlst?

Gefühle wie Aprilwetter

Für die Kinder ist es wichtig, ihre Gefühle zu kennen, sie zu erleben und einordnen zu können. Ihnen kann ein Vergleich mit dem Wetter helfen. Wenn die Sonne Zufriedenheit und Fröhlichkeit beschreibt, kann Wut als Regen, Sturm und Gewitter betrachtet werden. So wie sich im April das Wetter im Sekundentakt ändern kann, so ändern sich auch  manchmal die Gefühle der Kinder blitzschnell Eine wichtige Botschaft dabei: alle Gefühle dürfen sein! Kathrin Hohmann sagt: „Wir brauchen die Sonne und wir brauchen den Regen. Und wenn uns der Regen so richtig erwischt, ziehen wir uns gemeinsam Gummistiefel an und spannen den Regenschirm auf.“

So wichtig dieses Wissen für Kinder ist, so wichtig ist es auch für uns. Und das ist doch eigentlich logisch: Wenn ich weiß, wie sich ein Kind entwickelt, was es wann kognitiv leisten kann, wo es gezielt meine Unterstützung braucht, usw., dann kann ich knifflige Situationen viel besser begleiten. Vor allem auch dann, wenn ich unter meinen eigenen Eisberg schaue und reflektiere, was diese Situation, was die Wut meines Kindes in mir auslöst. Ich finde dies einen ganz wichtigen und wertvollen Ansatz. Auch wenn ich mir selbst manchmal einfach einen Handlungsleitfaden wünschte, um schneller zum Ziel, also zur Konfliktlösung zu kommen. Viel erfolgversprechender ist es genauer in sich hineinzuschauen, seine eigenen Muster zu überdenken und dabei die Bedürfnisse und Entwicklungsstufen der Kinder im Blick zu behalten.

Bindung und Beziehung als Basis

Kathrin Hohmann macht deutlich: Die Basis, auf der wir im achtsamen Umgang mit der Wut aufbauen sind Bindung, Beziehung, Respekt und Wertschätzung. Diese Basis ist so wichtig, denn sie beschreibt eine Grundhaltung aus Respekt und Wertschätzung unserem Kind gegenüber, mit einer verlässlichen Bindung und starken Beziehung zueinander als Anker. Was hier nicht fehlen darf ist die Achtsamkeit - und zwar für unser Kind und uns selbst. Kathrin Hohmann zitiert in ihrem Buch Jesper Juul: „Kinder machen nicht, was wir sagen, sondern, was wir tun.“ Wir sind also ganz wichtige Vorbilder. Immer. Das betrifft unser Verhalten im Straßenverkehr genauso, wie den Umgang mit anderen Menschen – und mit uns selbst. Wenn ich meinen Kindern mit einer respektvollen und wertschätzenden Haltung gegenübertrete und sie so liebe wie sie sind, und zwar bedingungslos, dann darf, sollte und muss ich auch mich so lieben, wie ich bin. Auch meine Gefühle dürfen sein. Und auch ich darf ins Wanken geraten. Kathrin Hohmann sagt, wir sollen “fehlerfreundlich“ zu uns sein. Das bringt es für mich letztlich auf den Punkt. Zur Achtsamkeit gehört für mich nicht nur irgendein Mantra, das ich mir beim aufkommenden Wut-Sturm vorsage und auch nicht allein für regelmäßige Pausen und Ausgleich zu sorgen. Für mich zählt ebenso dazu mich und meine Gefühle wahrzunehmen, zuzulassen und dabei unter meinen eigenen Eisberg zu blicken. Nur so wird Veränderung möglich, oder?

Deine innere Stabilität gibt deinem Kind Halt

Achtsamkeit mit uns selbst und ein gut gefüllter Selbstfürsorge-Tank machen den Unterschied, wenn wir unsere Kinder durch intensive Gefühlsstürme begleiten wollen. Um es mit Kathrin Hohmanns Worten zu sagen: „Du kannst dich nur um einen anderen Menschen kümmern, wenn du gut für dich gesorgt hast.“ Häufig vergessen wir das. Wir werden Eltern und plötzlich ist da dieses kleine, hilflose Wesen, das all unsere Aufmerksamkeit und Fürsorge braucht. Das ist gut und richtig. Und es ist ok seine eigenen Bedürfnisse erst einmal nach hinten zu rücken. Wer aber lange Zeit über seine Bedürfnisse lebt, sie aus dem Blick verliert, wird früher oder später Probleme bekommen. Schaffst du es deinen Tank regelmäßig zu füllen, lässt sich jede Krise leichter bewältigen. Warum? Weil du dich selbst viel besser in kritischen Situationen regulieren kannst und deine eigene innere Stabilität deinem Kind Halt gibt.

Ein für mich neuer Impuls von Kathrin Hohmann war der Leitsatz „Selbstregulation vor Co-Regulation“ und ihre Einladung, den respektvollen, wertschätzenden gewaltfreien Umgang, den wir unseren Kindern mitgeben möchten, mit jemandem zu üben, der uns am nächsten steht: mit uns selbst. Nehmen wir also den Druck raus, innerlich und äußerlich. Spüren wir in uns hinein, stärken wir unsere Beziehung zu uns und unseren Kindern und vertrauen wir auf die „Beziehungsformel“ von John Gottmann, die Nora Imlau u.a. in ihrem „Familienkompass“ beschreibt: „Wenn auf jede negative zwischenmenschliche Interaktion mindesten sieben positive kommen, nimmt die Beziehungsqualität keinen Schaden.“

Gut vorbereitet für den nächsten Wut-Sturm

Ich bin ein Fan von Erste-Hilfe-Koffern, mit denen man im Fall der Fälle alles Wichtige zur Hand hat. Lass uns gemeinsam einen Erste-Hilfe-Wut-Koffer packen. Von Kathrin Hohmann gibt es:

  • Zuversicht
  • Zeit
  • Atmen
  • ein Zettelchen mir ihrem Mantra „Das Kind kämpft für sich, nicht gegen mich.“
  • und Selbstliebe

Ich lege noch etwas zu essen und zu trinken hinein, damit wir gut verorgt sind. Außerdem ein paar Gummistiefel und einen Regenschirm, die uns den Regen angenehmer machen. Was packst du für dich mit ein?

Über den Autor

Anna Schmidt

Anna ist Mutter von drei Kindern und leidenschaftliche Trageberaterin. Aus Erfahrung weiß sie, wie entlastend das Tragen für das Familienleben und ihren Körper ist. Ihre Vision: Jedes Kind und jede Familie soll von den Vorteilen des Tragens profitieren!