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Die gesunde Kinderhüfte: Trag dein Baby!
• Gesundheit

Wie das Tragen eine gesunde Hüftreifung fördert
Nach langen 9 Monaten im Bauch der Mutter, beginnt das Baby seine Geburtsreise. Überglücklich halten es die Eltern im Arm. Die Welt steht für einen Moment still, der Zauber des Kennenlernens beginnt. Und dann stellt sich irgendwann der Alltag ein und die Eltern stellen fest: so richtig zufrieden ist das Baby nur auf ihrem Arm – oder in einer Tragehilfe. Aber wie genau funktioniert das? Und vor allem: Kann ich meinem Kind mit dem Tragen in einer Tragehilfe schaden? Ist die krumme Haltung des Kindes im Tuch oder der Tragehilfe nicht total unphysiologisch? Worauf muss ich unbedingt beim Tragen achten?
Ich habe nachgefragt bei Herrn Dr. Thielemann. Er ist Leitender Oberarzt des UniversitätsCentrum für Orthopädie, Unfall- und Plastische Chirurgie in Dresden.
Herr Dr. Thielemann, Sie sind Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und Experte im Bereich Kinderorthopädie. Deutschlandweit wird die Hüfte der Neugeborenen in den ersten Lebenswochen mittels Ultraschalles untersucht. Wozu dient das Hüftscreening so kurz nach der Geburt?
Das Hüftscreening wurde 1996 vom Gesetzgeber in die gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen, konkret in die U2 und U3 integriert. Ziel ist es die Zahl stationär behandlungsbedürftiger Hüftdysplasien im Kleinkind- und Kindesalter zu reduzieren.
Mit dem zeitgerechten Screening lassen sich reifungsgestörte und insbesondere dezentrierte Hüftgelenke bei Neugeborenen und Babys früh erkennen. Durch die nachgeordnete Behandlung können diese in der Regel folgenfrei ausbehandelt werden. Spätschäden infolge schwerer Hüftdysplasie, wie Hinken und frühe Schmerzen infolge einer Arthrose, können damit verhindert werden.
Welche Entwicklung haben Sie in ihrer ärztlichen Praxis in den letzten 20 Jahren festgestellt?
Mit Hilfe der Hüft-Screeninguntersuchungen konnte die Anzahl stationär und teils operativ behandlungsbedürftiger Kinder mit schweren Hüftdysplasien um den Faktor 5 auf 0,26 pro 1000 Geburten gesenkt werden. Das ist ein enormer Erfolg. Das Hüftscreening hilft so, Leiden im Alter zu reduzieren – und nicht unerhebliche Behandlungskosten einzusparen.
Das gesunde Aufwachsen ihres Kindes steht für die meisten Eltern an oberster Stelle. Neben dem Hüftscreening und gezielter therapeutischer Behandlung: Gibt es etwas, was Eltern tun können, um die Hüftreifung ihrer Kinder zu unterstützen?
Eltern können durch eine richtige Wickel- und Tragetechnik die Hüftreifung unterstützen. Für eine gesunde Hüftreifung ist die Akzeptanz und Unterstützung der natürlich vorhandenen Hock-Spreizhaltung der Beine bei Babys wichtig.
Enge Kleidung oder aber auch das Pucken führen zu dem genauen Gegenteil. Die Beine werden angespreizt und gestreckt. Hüften, die im Neugeborenenalter sehr bandinstabil sind, können dadurch dezentrieren oder gar aus der Hüftpfanne herausgleiten. Besonders Mädchen sind hiervon betroffen. Diese falschen Wickeltechniken und enge Kleidung sollten unbedingt vermieden werden.
Stattdessen sollten Eltern ihre Kinder betont breit wickeln. Sie sollten auf weite Kleidung achten und eine Tragetechnik wählen, die eine Hock-Spreizhaltung der Beinchen am Körper der Eltern ermöglicht. Auf diese Weise unterstützen sie die natürliche Reifung und stabile Entwicklung der Babyhüften.
Haben Sie das gehört? Da ist gerade vielen Eltern ein riesiger Stein von den Schultern gefallen! Nicht wenige Babys fühlen sich nur in den Armen ihrer Eltern wohl. Viele fordern den Körperkontakt lautstark ein. Eltern greifen dann gerne zum Tragetuch oder einer Tragehilfe. Eine Frage, die viele Eltern bewegt: Schadet das Tragen im Tuch oder der Tragehilfe meinem Kind auf Dauer? Sie sagen ganz klar: Nein?
Ein ganz klares Nein. Eine schädigende Wirkung einer solchen Tragetechnik auf die Entwicklung der Wirbelsäule, wie von manchen Eltern befürchtet, ist nicht vorhanden. Das Kind sitzt mit einer, für Neugeborene und Kleinkinder, physiologischen C-förmigen Krümmung der Wirbelsäule. Die Hüfte profitiert sehr vom Tragen in einer korrekten Hock-Spreizhaltung.
Auf was sollten Eltern dann unbedingt beim Tragen in einem Tuch oder einer Tragehilfe achten?
Das Kind sollte im Tragetuch oder einer Tragehilfe (z.B. von Storchenwiege, Limas oder Manduca) mit dem Gesicht zum Körper des Elternteils in einer Art Sitzposition ausgerichtet sein. Das Köpfchen benötigt unmittelbar nach Geburt Unterstützung. Durch die angehockte und weit abgespreizte Position der Beine werden beide Hüftköpfe tief in die Hüftpfanne ausgerichtet. Damit besteht ein natürlicher Wachstumsreiz für beide Gelenkpartner sich stabil und altersgerecht zu entwickeln. Es ist dabei ganz gleich, ob das Kind vor dem Bauch oder auf dem Rücken getragen wird. Je nach Komfort und Sicherheit des Kleinkindes können Eltern die Trageposition wählen, die ihnen bequem ist.
Sie befürworten also aus ärztlicher Sicht das Tragen von Neugeborenen?
Ja, unbedingt. Das „richtige“ Tragen hat positive Effekte auf die Entwicklung von Gelenken und des Skeletts bei Neugeborenen. Wichtig ist aber auch der damit verbundene enge körperliche und emotionale Eltern-Kind-Kontakt. Er bildet eine wichtige Grundlage für eine gesunde psychosozialen Bindung. Sie sprachen es eingangs selbst an. Neugeborene fordern diesen engen Kontakt lautstark ein. Mit dem Tragen stillen Eltern ein ganz natürliches Bedürfnis ihrer Kinder.
Herr Dr. Thielemann, ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch und Ihre medizinische Sicht auf das Tragen von Kindern!
Über den Autor

Anna ist Mutter von drei Kindern und leidenschaftliche Trageberaterin. Aus Erfahrung weiß sie, wie entlastend das Tragen für das Familienleben und ihren Körper ist. Ihre Vision: Jedes Kind und jede Familie soll von den Vorteilen des Tragens profitieren!