Das Christkind kommt nur, wenn du lieb bist!

Den ganzen Dezember hindurch gestalte ich mit lieben Kolleginnen die Aktion #trageadvent auf Instagram. Neben festlichen Bindeweisen und „Selfcare-Quickies“ erwarten dich auch Impulse für eine bedürfnisorientierte Weihnachtszeit.

Zu meinem heutigen Beitrag hat mich Susanne Mierau inspiriert. Sie ist Diplom-Pädagogin mit dem Schwerpunkt Kleinkindpädagogik und zahlreichen Weiterbildungen zur Familienbegleitung, Stillbegleitung uvm. Auf ihrem Blog Geborgen Wachsen schreibt sie über das bedürfnisorientierte Familienleben und setzt sich mit ihrer Arbeit für ein wachsendes Verständnis kindlicher Bedürfnisse ein. Neben vielen anderen wertvollen Beiträgen hat sie auch einen wundervollen Beitrag über das Drohen mit dem Weihnachtsmann veröffentlicht, den ich hier aufgreife.

Warst du denn auch brav?
Der Weihnachtsmann kommt nur zu braven Kindern. 
Böse Kinder bekommen die Rute.
Benimm dich! Das Christkind sieht alles.

Jedes Jahr aufs Neue wird Kindern in der Weihnachtszeit mit solchen Sätzen gedroht. Dabei sind Drohungen in der Erziehung nie wirklich förderlich. Sie beruhen auf Strafen und bewirken genau das Gegenteil von dem, was wir uns erhoffen: statt „lieben“ Kindern, die tun, was wir wollen, befeuern wir ihre Aggressivität, aber sie lernen kein angemessenes Verhalten. Hinter diesen Drohungen mit Weihnachtsmann und Christkind – und natürlich auch dem Osterhasen und anderen Fantasiefiguren – verbirgt sich aber noch weiteres Gefahrenpotential.

Kinder brauchen unsere liebevolle Autorität zur Orientierung

Wir verstecken unsere Wünsche hinter fantasievollen Autoritäten, zum Beispiel, wenn der Sohn sein Zimmer aufräumen soll, dies aber verweigert. Es beginnt eine Diskussion, vielleicht sogar ein kleiner Machtkampf, der mit einer Drohung endet: „Räum dein Kinderzimmer auf, sonst schreibt sich das der Nikolaus in sein goldenes Buch und dein Stiefel bleibt leer.“ Unser Wunsch, dass das Zimmer ordentlich ist, damit unser Sohn dann seine Sachen besser findet, mehr Platz zum Spielen hat und diese äußere Ordnung auch eine innere Ordnung in ihm und uns bewirkt, verstecken wir hinter der Autorität des (manchmal auch mit der Rute strafenden) Nikolaus. Auch fehlt hier das Verständnis für das Verhalten unseres Kindes. Kann es vielleicht gar nicht aufräumen? Ist es noch gar nicht fähig ein Zimmer alleine aufzuräumen? Weiß es vielleicht nicht wohin mit den Spielsachen? Hat es noch nicht die kognitive Fähigkeit dazu diese große Aufgabe für sich zu strukturieren?

Oder die Tochter soll aufhören den Bruder zu hauen, „sonst bringt das Christkind keine Geschenke“. Was es dabei lernt: wenn ich mich füge und „gehorsam“ bin, bekomme ich Geschenke – und Aufmerksamkeit und Liebe. Es lernt nicht, was uns eigentlich wichtig ist, nämlich, dass wir unsere Mitmenschen respektvoll behandeln, Konflikte mit Worten lösen und einander nicht verletzen. Und es fehlt auch hier wieder das Verständnis für ein ganz normales kindliches Verhalten, nämlich, wenn die Tochter aufgrund ihres Alters noch nicht in der Lage ist Konflikte verbal zu lösen, ihre Wut noch nicht steuern kann, usw.

Kinder brauchen aber genau diese Erklärung, auch wenn es uns als Eltern fordert und anstrengt. Sie brauchen unsere Unterstützung und einfühlsame Begleitung, denn wir Eltern sind ihre Vorbilder, ihre Begleiter, ihr Kompass

 

„Kinder brauchen uns Eltern als Begleitpersonen auf ihrem Weg. Sie brauchen Bezugspersonen,
die größer, weiser und gütig sind und ihnen vorleben, sich im Leben und in der Gesellschaft zu bewegen.

Sie brauchen Bezugspersonen, die sie auf dem Weg, dies selbständig leben zu können, unterstützen.
Und auch wenn es anstrengend ist, einem Kind zu sagen „Ich will das nicht!“ oder „Das geht so nicht!“
oder sich immer wieder (wie beim Zähneputzen) neue Wege und Alternativen auszudenken, ist das die
Aufgabe von uns Eltern. Wir müssen präsent sein, ansprechbar, verlässlich. Wir zeigen den Weg, wir
begleiten auf dem Weg. Und dies gibt Kindern Sicherheit.“                                    Susanne Mierau, 2020

 

Liebe ohne Bedingung – Schenken aus Liebe

Verstecken wir uns hinter der Autorität von Weihnachtsmann & Co., knüpfen wir gleichzeitig Liebe an eine Bedingung und bestrafen gleichzeitig völlig normales kindliches Verhalten: Wenn unser Kind lieb ist, bekommt es Geschenke. Wenn unser Kind den Schlafanzug angezogen hat, kommt morgen sicher auch der Nikolaus.

 

"Was Kinder brauchen – nicht nur zur Weihnachtszeit – ist das Gefühl,
angenommen und geliebt zu werden. – Und dies auch/gerade dann,

wenn sie eben vollkommen natürliches kindliches Verhalten zeigen."       Susanne Mierau, 2018

 

 

Statt also mit Androhung von Tadel (und Lob) durch Weihnachtsmann, Nikolaus oder Christkind dürfen wir unser Herz und unsere Ohren öffnen für die Bedürfnisse unseres Kindes - und unsere eigenen. Wir dürfen Druck rausnehmen, unsere eigenen Erwartungen an unser Kind und uns korrigieren und Verständnis haben für sein persönliches Temperament und die Aufregung die der ganze Adventszauber in unserem Kind auslöst. Und wir dürfen, nein müssen, unserem Kind das Gefühl geben, dass es geliebt und angenommen wird. Nicht mit Geschenken als Belohnung für sein Verhalten, sondern mit unserer bedingungslosen Liebe und Einfühlsamkeit, weil es so wie es ist genau richtig ist. An Weihnachten und den anderen 364 Tagen im Jahr.